Übergaben und Schlüssel beim Zugleitbetrieb
Ein Beispiel für den FREMO:87 von Martin Balser
Ein Vorbildbeispiel wäre die Müllumladestelle Grund Schwalheim auf der Strecke Friedberg-Nidda.
Der Bildfahrplan vom 29. Mai 1988 führt den Anschluß als «Awanst Wetteraukreis u»
(u = unbesetzt) und als Zuglaufstelle ohne Trapeztafeln.
Die Bedienung war wie folgt:
Üg 67610 W[Sa], Samstags bedarfsweise, fährt um 4.30 Uhr in Friedberg ab und hat auf dem Trennungsbahnhof Beienheim 1 Minute Betriebsaufenthalt +4.39/4.40, um den Streckenschlüssel zu empfangen.
Um 4.57 soll die Üg an der Awanst ankommen und Ankunftmeldung sowie Fahranfrage erstatten. Das ist notwenig, um dem nachfolgenden Zug die Strecke bis zur rückgelegenen Zuglaufstelle freigeben zu können. Dies ist Üg 67620 W[Sa] von Friedberg nach Nidda, sie bekommt um 5.16 Uhr in Beienheim den Streckenschlüssel und Fahrerlaubnis bis Echzell.
Laut Rangierplan von 1. Januar 1991 hat Üg 67610 folgende Zugbildung. Zuglok ist eine 216, die anschließend ab Nidda den Nahverkehrszug 8273 zurück nach Friedberg übernimmt. Dann kommt die 365 (funkgesteuerte V 60), mit der der Lokrangierführer ab Nidda weiter arbeitet.
Das Rangierpersonal besteht allein aus dem Lokrangierführer der 365. Die 216 ist mit einem Lokführer besetzt. Der Zug besteht aus 2 Gruppen laut GZV:
1. Hornitex
2. Grund Schwalheim
Hornitex ist ein großes Spanplattenwerk in Nidda, das u. a. Leim per Bahn erhält und mehrmals am Tag bedient wird. Diese Gruppe hier bildet die Frühzuführung. Die nachfolgende Üg 67620 wird von einer 216 geführt und besteht aus den Gruppen
1. Ober Widdersheim
2. bedarfsweise Lich, Laubach
3. Sonstige
4. Echzell
Unsere Üg hält an der Spitze der linken Weiche, dort ist die Schlüsselbude. Zugleiter anrufen, Meldungen erstatten.
Zugführerschlüssel rein ins Mehrfachschloß, dann kann man die 4 Schlüssel für 3 Weichen entnehmen. Laut GZV bestand die Üg aus zwei Gruppen, von denen die 2. für Grund Schwalheim war.
Man kann alle 4 Schlüssel benutzen, um durch den Anschluß durchzuziehen und die Gruppe abzuhängen, oder nur die Weichenverbindung, um die Schlußgruppe durch Umsetzen hineinzubringen.
Da Rangierer jeden unnötigen Schritt vermeiden und lieber mit der Lok fahren - es sind ja auch nur 14 Minuten für das Manöver vorgesehen - nehme ich an, daß man die Flachwagen mit leeren Müllcontainern über die Verbindung zurückdrückt und anschließend wieder auf Streckengleis umsetzt, um schließlich mit dem Rangierer an der Spitze bis zur Bude zurückzudrücken.
Nach Einschließen der Weichenschlüssel und Entnahme des Zugführerschlüssels kann man abfahren, planmäßig um 5.11 Uhr. Dann ein Betriebshalt +5.15&16 am Hp Häuserhof, um die Blinklichtanlage dort einzuschalten.
Um 5.24 soll man in Nidda sein. Der Fdl dort wird die Üg sofort an den Zl Beienheim zurückmelden und den Streckenschlüssel indirekt in Empfang nehmen - er wird in einer Blechbude auf dem Bahnsteig in einem Blockwerk verschlossen.
Der Zl kann dann die um 5.28 von Echzell gestellte Fahranfrage «Darf Zug 67620 bis Nidda fahren?» positiv beantworten. So funktioniert Streckenblock im Zugleitbetrieb!
Die Abholung der beladedenen Wagen erfolgt in zwei Partien, wahrscheinlich weil die Last für eine Fahrt zu groß würde. Im Fahrplan von 1988 gab es noch den besonderen Dienst «Rangierleiter Müll» werktags außer Samstags und samstags bei Bedarf.
Mit einer 216 ging es um 11.45 Uhr als Lz 87616 in Friedberg los. In Beienheim steht +11.54/12.00 die Kreuzung mit dem Schienenbus Nto 8281 W[Sa] auf dem Plan. Um 12.16 kommt kommt die Lz in Grund Schwalheim an und hält an der Schlüsselbude. Der «Rl Müll» springt ab, gibt Ankunftmeldung und beantragt Rangiererlaubnis.
Mit dem Weichenschlüssel wird die Weiche an der Bude aufgeschlossen. Das Kuppelschloß gibt den Gleissperrenschlüssel frei. (Moderne Anordnung - die Awanst wurde erst Anfang der 80er Jahre gebaut!)
Dann setzt die Lok an die bereits beladenen Wagen, kuppelt, macht Bremsprobe und zieht die Wagen aus dem Anschluß.
Nach Verschließen der Weichen und Entnahme des Zugführerschlüssels wird Fahranfrage gestellt: «Darf Zug 67631 bis Beienheim fahren?»
Um 12.36 geht es planmäßig los. In Beienheim bietet der Betriebshalt +12.50/13.00 wegen Kreuzung mit Nto 8276 W[Sa] genug Zeit für Schlüsselrückgabe und einen kurzen Plausch. In Friedberg um 13.10 angekommen, wird der Zug gesichert und die Lok abgehängt.
Die Spätbedienung verläuft im Prinzip ähnlich. Lz 87620 fährt von Friedberg nach Beienheim, hat 1 min Betriebshalt zur Schlüsselaufnahme und fährt wieder bis zur Schlüsselbude in Grund Schwalheim vor, wo sie um 15.59 ankommen soll.
Nun muß es aber schnell gehen - wir haben ja schon Übung - Zugführerschlüssel rein, Weichenschlüssel raus, zur Weiche, aufschließen, umstellen, Gleissperrenschlüssel raus, zur Gleissperre, aufschließen, abklappen. Die Lok in den Anschluß winken, Funk braucht man für den einfachen Rangierdienst «Müll» nicht.
Dann alles rückwärts, bis der Zugführerschlüssel entnommen werden kann. Nun wird dem Zl Beienheim Abstellmeldung erstattet - die Lok hat sich eingeschlossen. Diese Meldung wird dort dringend erwartet, denn um 16.01 soll Nto 8282 W[Sa] in Beienheim Richtung Nidda die Strecke belegen! Nach der Meldung kann der «Rl Müll» in aller Ruhe die Wagen kuppeln und Bremsprobe machen.
Der Fahrplan sieht nun vor, daß Nto 8282 um 16.32 in Nidda ankommt, aber Üg 67633 schon um 16.30 in Grund Schwalheim abfährt. Da für den 8282 keine Ankunftmeldung vor Nidda vorgesehen ist, kann das nur gehen, wenn der «Rl Müll» nach Durchfahrt des 8282 in Grund Schwalheim eine Verlassensmeldung an den Zl gibt, der ihm daraufhin die Fahrerlaubnis bis Beienheim erteilen kann.
In Beienheim ist dann volles Haus. Üg 67633 fährt um 16.44 in Gleis 3 ein. Um 16.50 kommt der Schienenbus Nto 8073 von Wölfersheim-Södel auf Gleis 1 an. Dann wird von Friedberg her Einfahrt gezogen nach Gleis 2 für N 3682 von Frankfurt (M) Hbf nach Nidda. Der Zug bietet eine durchgehende Verbindung für Berufspendler und hat nur 2 Minuten Aufenthalt. Zahlreiche Reisende steigen hier um. Der Zugführer muß beim Zl den Streckenschlüssel abholen. Um 16.57 Uhr kann man eine Parallelausfahrt beobachten: Aus Gleis 1 fährt der Schienenbus als Nto 8074 nach Hungen ab, aus Gleis 2 die 216 mit Silberlingen als N 3682 nach Nidda! Unsere Übergabe erhält kurz danach ebenfalls Ausfahrt. Sie soll um 17.10 Friedberg erreichen. Verzögerungen sind dabei tunlichst zu vermeiden, denn um 17.13 soll in Beienheim der nächste Zug nach Friedberg abfahren. Es ist Nto 8287 Nidda - Friedberg, der in Reichelsheim mit N 3682 gekreuzt hat.
Es handelt sich dabei um jenen Schienenbus, den die Müll-Übergabe in Grund Schwalheim vorbeiziehen ließ. Der Schienenbus kam dort als 1. Zug an, sein Zugführer mußte alle Meldungen machen und die Weichen stellen.
In Friedberg angekommen, steht für den Schienenbus nur wenig Zeit zur Verfügung. Binnen 9 Minuten soll er die Reisenden aussteigen lassen, ein anderes Gleis umsetzen und an den Schluß eines lokbespannten Zuges kuppeln.
Unter der Nummer N 8290 geht der Doppelzug nach Beienheim. Dort wird geflügelt, wie man neudeutsch sagt - der lokbespannte Stamm geht als N 8290 nach Nidda, der Schienenbus als Nto 8078 nach Wölfersheim-Södel.
Dort passiert auch noch etwas Interessantes: Der Schienenbus von der Parallelausfahrt vorhin kommt als Nto 8077 von Hungen zurück und hat 9 Minuten Aufenhalt, um mit den Fahrzeugen des 8078 kombiniert zu werden. Auf dem Weg nach Friedberg kreuzt er in Beienheim einen weiteren Doppelzug, der gerade in der Mitte «durchgehängt» wird.
Wie ist es unserem Müll ergangen? Nun, der «Rl Müll» hat die Wagen aus Üg 67633 auf die bereits in Friedberg stehenden Wagen aus der Mittagsabholung gesetzt. Die 216 geht anderen Diensten nach. Die weitere Fahrt tritt der Müll des Wetteraukreises (also auch meiner) hinter einer Ellok als Gag 87840 nach Wabern an.
Dort, das ist auch interessant, erfolgt die Zustellung zur Müllkippe als Übergabefahrt mit einer 290, wobei ein Stück der Main-Weser-Bahn bis «Abzw Uttershausen» benutzt wird und dann noch ca. 1,3 km Anschlußgleis bis «Kimm Bbf» benutzt werden. Dem Vernehmen nach wurde der Müll in einen ausgekohlten Braunkohlentagebau geschüttet.
Bei der Rückfahrt wird ab «Abzw Uttershausen» das Gegengleis der zweigleisigen Main-Weser-Bahn benutzt, eine Weichenverbindung zwischen den Streckengleisen gab es nicht und sie wäre auch nicht sinnvoll gewesen, weil die Güterzüge in Wabern sowieso auf die linke Seite in die Güterzuggleise fuhren. Wegen der Streckenbelegung hatte man die Einfädelung der Müllbahn als signalgedeckte Abzweigstelle in das große SpDrL60 Zentralstellwerk Wabern eingebunden und nicht als Awanst ausgeführt.
Die beladenen Wagen wurden am nächsten Tag zugestellt. Es gab einen zweitägigen Umlauf, die Wagen mit leeren Containern fuhren abends in Wabern ab und kamen gegen 23.00 in Friedberg an für die Zustellung am Folgetag.
Laut Rangierplan vom 1. Januar 1991 wurde die Abholung mit der Abfuhr der Frachten aus Nidda zusammengelegt. Die Verteilung war wie gehabt.
Nun fuhr aber die Funklok 365 als Üg 67631 von Nidda nach Friedberg und nahm unterwegs zwischen 10.58 und 11.28 in Grund Schwalheim die erste Partie mit. Da zwischen 8.00 und 11.30 gar keine Personenzüge fuhren, ging das ohne Einschließen.
Den «Rl Müll» gab es noch, er hatte aber am frühen Nachmittag im Personenbahnhof Friedberg zu rangieren, war stundenweise als Hemmschuhleger am Ablaufberg einesetzt und fuhr als Fahrgast in einem Nahverkehrszug nach Nidda.
Von dort ging es auf der 216 der Üg 67633 nach Grund Schwalheim. Von 15.55 bis 16.29 sollten die Wagen aufgenommen werden. Damit ergab sich in der Awanst eine Kreuzung mit Nto 8282. Grund für die Änderung war ein Verkehrsrückgang bei Hornitex, der es erlaubte, die Abholung von Nidda nun mit der Müllabholung zu verbinden. Vorher waren das besondere Züge.
© 2006 Martin Balser