H0-Nebenbahn im FREMO
Eine Standortbestimmung am Beispiel der Regionalgruppe Hannover/Braunschweig
In der Anfangszeit des FREMO war die FREMOdul-Welt noch überschaubar. Im FREMOdul-Handbuch Spur H0, Stand 1986, wird beispielsweise ausgeführt: "Das Thema des Modularrangements ist eine eingleisige Nebenbahn der DB am Rande eines Mittelgebirges zur Sommerzeit." Mittlerweile ist der FREMO - und damit auch die Anzahl der FREMOdule - kräftig gewachsen. Als Folge dessen entstanden eine Reihe neuer Modulkopfstücke, alternative Betriebskonzepte wurden entwickelt und andere Vorbildsituationen nachgebildet. Neben den neuen Ideen wird aber das ursprüngliche Thema "Nebenbahn" nach wie vor gepflegt und weiterentwickelt.
Was macht die Nebenbahn, deren Reizen einige FREMO-Mitglieder erlegen sind, aus? Die "amtliche" Definition in der einschlägigen Literatur (1) besagt: "Eine Nebenbahn ist eine Eisenbahnstrecke mit geringer verkehrlicher Bedeutung; sie erfüllt Zubringeraufgaben für Hauptbahnen. Für Nebenbahnen sind größere Steigungen und kleinere Halbmesser zugelassen, damit gutes Anpassen an Geländeformen. Aufgrund der einfacheren Betriebsverhältnisse gegenüber Hauptbahnen ist bei Nebenbahnen keine so umfangreiche und kostspielige Sicherungs- und Fernmeldetechnik erforderlich. Für Nebenbahnen mit einfachen Verhältnissen ist eine Betriebsführung als vereinfachter Nebenbahndienst möglich."
Im Folgenden soll beleuchtet werden, wie das Thema "Nebenbahn" bei der Gestaltung von Modellen, FREMOdulen und Treffen umgesetzt wird. Da kein Anspruch auf Vollständigkeit oder gar Repräsentativität für den gesamten FREMO erhoben werden soll, werden am Beispiel der Regionalgruppe Hannover/Braunschweig einige Charakteristika beschrieben. Initialzündung für Treffen mit dem Thema "Nebenbahn" war in der Region Hannover/Braunschweig ein so genanntes "Scheunentreffen", das Martin Meiburg 1993 ausgerichtet hatte. Obwohl seinerzeit nur wenige Betriebsstellen in das Arrangement integriert werden konnten und der Betrieb recht übersichtlich war, hat das Thema "Nebenbahn" den FREMO-Freunden im Großraum Hannover/Braunschweig dennoch so viel Freude beschert, dass bis heute viele weitere, schöne Regionaltreffen gefolgt sind. Nach einigen Treffen in Müllingen haben sich jetzt Hotteln, Räbke und Wehmingen als Austragungsorte etabliert. Es wurden zwar keine Statuten formuliert, dennoch wurden und werden bei diesen Treffen die gleichen Interessen verfolgt. Den folgenden Ausführungen ist noch vorauszuschicken, dass das Thema "Nebenbahn" nicht scharf begrenzt ist, sondern dass es fließende Übergänge beispielsweise zur Klein- oder zur Privatbahn gibt. Dies äußert sich unter anderem darin, dass Nebenbahn- Module auch bei Treffen mit anderen thematischen Schwerpunkten eingesetzt werden.
Modellbau
Entsprechend der oben wiedergegebenen Definition werden bei der Umsetzung der Nebenbahn in das Modell ausschließlich eingleisige Strecken nachgebildet; üblicherweise sind auf der Nebenbahn keine Hauptsignale vorhanden, lediglich einzelne Bahnhöfe weisen ggf. Einfahrsignale auf. Die Weichen sind in vielen Fällen nicht fernbedient, sondern werden vor Ort von Hand gestellt. Dies wird auch im Modell nachgebildet, wobei es besonders reizvoll für den Betrieb ist, wenn auch Schlüsselabhängigkeiten nachempfunden werden. Die Bahnsteig- und Gleislängen sind entsprechend dem Verkehrsaufkommen vergleichsweise kurz; die hierdurch eröffnete Chance, Betriebsstellen der Nebenbahn maßstäblich nachzubauen, wurde bereits vor einigen Jahren aufgegriffen. Aufgrund der begrenzten Größe der Betriebsstellen wird bei Nebenbahn-Modulen viel Wert auf die typischen Details wie zum Beispiel Telegrafenmasten oder Kilometersteine gelegt.
Es versteht sich von selbst, dass bei Nebenbahn-Treffen ausschließlich für die Nebenbahn typisches Rollmaterial eingesetzt wird. Die Modelle werden mit der Nachbildung von Betriebsspuren versehen, wobei zum Teil individuelle Vorbilder akribisch nachgebaut werden. Nach einer Übergangszeit von einigen Jahren werden bei Nebenbahn-Treffen jetzt ausschließlich Fahrzeuge mit RP25-Radsätzen verwendet. Da der Betriebsdienst auf der Nebenbahn von vielfältigen Rangierbewegungen geprägt wird, kommt der Funktionsfähigkeit der Modellkupplung eine wesentliche Bedeutung zu. Gute Erfahrungen wurden mit der Fleischmann-Bügelkupplung gemacht, so dass man sich darauf verständigt hat, alle auf Nebenbahn-Treffen eingesetzten Fahrzeuge damit auszurüsten.
Zum Standard gehört auch eine gute Dokumentation der Betriebsstellen. Da einzelne Betriebsstellen der Nebenbahn häufig nicht besetzt sind (insbesondere beim Zugleitbetrieb), sind eine eindeutige Kennzeichnung der Einrichtungen zum Stellen der Weichen, der Gleissperren und der Signale sowie deren einfache Bedienung "Pflicht". Für den Dienst auf der Nebenbahn ist ferner eine eindeutige Beschreibung der Betriebsstelle und ihrer Ladestellen in einem Bahnhofsdatenblatt erforderlich. Um allen Zugpersonalen die Bedienung der Betriebsstelle zu ermöglichen, hat sich ein Gleisplan bewährt, in den alle Anschließer eingetragen werden und der zur Einsichtnahme an der Betriebsstelle ausliegt.
Modulbau
Die durch das gewählte Vorbild bedingten engeren Radien und kürzeren Betriebsstellen gestatten es, Motive der Nebenbahn in der Baugröße H0 maßstäblich nachzubilden, ohne den zur Verfügung stehenden Raum zu sprengen. Die erstellten Modelle bzw. FREMOdule können auch in den heimischen Räumen oder in kleineren Veranstaltungsorten (wie zum Beispiel einem Dorfgemeinschaftshaus) aufgebaut werden. Ganz im Sinne des Themas "Nebenbahn" wurde das Gewicht der FREMOdule deutlich reduziert und die konstruktive Ausführung soweit vereinheitlicht, dass der Aufbau keiner gesonderten Anleitung mehr bedarf.
Ein besonderes Kennzeichen der Regionalgruppe Hannover/Braunschweig ist eine Reihe von gemeinschaftlich erstellten FREMOdulen. Bei der Planung der ersten Nebenbahn- Treffen im Raum Hannover/ Braunschweig machte sich stets ein Mangel an Bogenmodulen bemerkbar. Es konnten zwar FREMOdule ausgeliehen werden, diese entsprachen aber nicht immer den gestellten Ansprüchen. Zur Behebung dieses Missstands wurden zunächst unter dem "Markennamen" Balimo insgesamt acht Bogenmodule gebaut; andere Arbeitsgruppen nahmen diese Idee auf und fertigten weitere FREMOdule an. Das Fehlen eines zeitgemäßen Schattenbahnhofs wurde in einer weiteren Bauaktion behoben. Der Schattenbahnhof "Linden Rbf" ist leicht zu transportieren und kann bequem von einer Person aufgebaut werden. Die Kapazität der Gleisanlagen wurde so bemessen, dass ein für die Region Hannover/Braunschweig typisches Nebenbahn-Arrangement versorgt werden kann. Die im Verlaufe einiger Treffen konstatierte Erkenntnis, dass eine von der Nebenbahn abzweigende und zum Beispiel als (private) Kleinbahn betriebene Strecke zusätzlichen Spielspaß generiert, gab den Anstoß zum Bau des Abzweigmoduls ?Lindenthal?.
Betriebskonzept
Hinsichtlich der betrieblichen Merkmale, die eine Nebenbahn ausmachen, werden die Vorstellungen häufig von Jugend- oder Kindheitserfahrungen geprägt. Mit der Nebenbahn werden Personenzüge assoziiert, die unterschiedliche Wagenbauarten aufweisen, oder Nahgüterzüge, die kleine Betriebsstellen bedienen. Mit der Nebenbahn werden aber auch ein abwechslungsreicher Triebfahrzeugpark (gekennzeichnet durch den Übergang von der Dampf- auf die Dieseltraktion) und eine reizvolle Landschaft abseits der Großstädte - die viel beschworene "heile Welt" - verbunden.
Zeitlich angesiedelt werden die Nebenbahn-Treffen in der Epoche 3 mit dem Übergang zur Epoche 4; dies entspricht grob gesagt dem Zeitraum von 1960 bis 1970. Die größeren Betriebsstellen können mit Fahrdienstleitern besetzt werden; ggf. findet der Betrieb ausschließlich als Zugleitbetrieb (vereinfachter Nebenbahnbetrieb) statt. Ein besonderer Reiz der Nebenbahn besteht darin, dass die übliche Rollenverteilung in Bahnhofs- und Zugpersonal aufgelöst wird. Auf unbesetzten Betriebsstellen nehmen die Mitspieler beide Funktionen in Personalunion wahr, insbesondere natürlich beim Zugleitbetrieb.
Der Personenverkehr wird durch die Zuggattung "Personenzug" geprägt. Da die gedachte Vorbildsituation häufig im ländlichen Raum angesiedelt wird, verkehren einzelne Züge als PmG, um bedarfsweise Milch oder Vieh zu befördern. Der Güterverkehr ist gekennzeichnet durch Nahgüterzüge und Übergaben. Es werden Stückgüter und einzelne Wagenladungen befördert; Ladestellen (z. B. das Anschlussgleis einer Fabrik oder eines Kohlenhändlers) werden bedient. Sofern Ausweichanschlussstellen in das Arrangement integriert werden, können diese ggf. mit Sperrfahrten bedient werden. Bei der Gestaltung des Fahrplans wird auf die unterstellten Verkehrsbedürfnisse Rücksicht genommen. Dies bedeutet, dass beispielsweise morgens Züge verkehren, um die Jugendlichen zur Schule und die Arbeiter zu den Fabriken der nahe gelegenen Kreisstadt zu befördern oder in den Vormittagsstunden entsprechende Züge für Hausfrauen und Angestellte angeboten werden. Gleiches gilt auch für den Güterverkehr; dem gewählten Vorbild "Nebenbahn" entsprechend erhalten nicht alle Ladestellen an jedem Betriebstag Wagenladungen. Bei der Konzeption des Fahrplans wird darauf geachtet, dass in den Betriebsstellen genügend Zeit für die erforderlichen Rangierbewegungen zur Verfügung steht. So besteht auch hinreichend Gelegenheit, die Bewegungen der Triebfahrzeuge und Wagen in den Betriebsstellen in Ruhe zu genießen.
Treffen
Schließlich geht von den Nebenbahn- Treffen im Raum Hannover/Braunschweig ein ganz besonderes Flair aus. Es herrscht eine familiäre Atmosphäre; beim Auf- und Abbau fasst jeder mit an, ohne dass dies aufwändig geregelt werden müsste. Die Vergabe aller Dienste innerhalb einer Fahrplansession erfolgt in gegenseitigem Einvernehmen. Es wird darauf geachtet, dass die Aufgaben gerecht verteilt werden und jeder mal zum Zuge kommt. Bewährt hat sich die so genannte "Jobliste". Sofern möglich werden die Zugdienste zweimännig besetzt, damit die Kommunikation untereinander und die gegenseitige Unterstützung gesichert sind. Zu erwähnen ist auch die sorgfältige Vorbereitung der Treffen; eine minutiöse Aufbauplanung und detaillierte Unterlagen zum Fahrplan und zum Betriebskonzept sind mittlerweile Selbstverständlichkeiten. Im Gegenzug wird allerdings auch eine entsprechende Vorbereitung durch die Teilnehmer erwartet. Schließlich ist noch zu erwähnen, dass gelegentlich vor Beginn des Fahrplanbetriebs das Konzept des Fahrplans in einer so genannten "Dienstbesprechung" vorgestellt wird und eine Begehung des Arrangements zur Erlangung der Streckenkunde stattfindet. So ist sichergestellt, dass neue Mitspieler schnell in den Fahrplanbetrieb integriert werden und sich im Freundeskreis wohlfühlen können.
Fazit
"H0-Nebenbahn" beim FREMO heißt für die Regionalgruppe Hannover/ Braunschweig, dass bei einem ruhigen, vorbildentsprechenden Betrieb optisch und technisch ansprechend gestaltete FREMOdule und Fahrzeuge genossen werden können. Es wird der Versuch unternommen, das Vorbild "Nebenbahn" möglichst exakt nachzubilden, ohne auf die erforderliche Toleranz und Rücksichtnahme zu verzichten. So gesehen ist der Nebenbahnbetrieb ein schöner Ausgleich zum Stress im beruflichen Alltag.
Literatur:
(1) Autorenkollektiv, Lexikon der Eisenbahn, Berlin 1978
(Veröffentlicht von Gottfried Spicher im HP1-Jubiläumsheft "Hp1 Modellbahn - 2. und 3. Quartal 2006", für das FREMO-NET überarbeitet 12/2008 durch Rüdiger Bäcker. )