Realistische Laubbäume selbst gebaut - die Hängebirke
Heutzutage können Modellbahner auf eine sehr umfangreiche Auswahl von Modell-Laubbäumen zurückgreifen. Einige Hersteller bieten dabei sogar "einfache" und "professionelle" Varianten eines Baumes an. Selbst Zypressen, die in unseren Regionen in der Regel nicht vorkommen, findet man. Und trotz dieses riesigen Angebotes sind wirklich realistisch wirkende Laubbäume eher selten anzutreffen.
Am realistischsten wirken in den Augen vieler Modellbahner Bäume, die mit Silflor-Materialien belaubt sind und das, obwohl die Blätter - maßstäblich gesehen - ca. die Größe eines Blattes DIN-A3-Papier hätten. Dennoch nehmen wir dieses vollkommen falsche Größenverhältnis nicht direkt wahr. Diese Wirkung wird durch die Darstellung einzelner Blätter bei den SilflorŽ-Materialien erreicht, die wir so auch aus der Natur kennen. Die Anzahl und Größe spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Unser Auge erkennt am Modellbaum einzelne Blätter und stellt Parallelen zur Natur fest. Beim Astwerk findet dieser Vergleich ebenfalls statt. Stimmt der Modellbaum dann noch in Farbe, Größe und Form mit dem entsprechenden Baum in der Natur überein, sind wir beruhigt.
Beispielhaft soll hier der Bau einer Birke beschrieben werden, da diese bei uns sehr häufig anzutreffen ist, die unterschiedlichsten Wuchsformen aufweist und somit für eine Auflockerung auf der Modellbahn sorgt.
Prinzipiell kann die hier beschriebene Methode auf jeden anderen Laubbaum übertragen werden. Es ist nur darauf zu achten, dass die Form, Größe und Farbgebung entsprechend stimmig umgesetzt werden.
Die Hängebirke
Die Hänge- oder Warzenbirke wird 10 bis 25 m, selten bis 30 m hoch und ist häufig in lichten Laub-, Nadel- und Mischwäldern, Mooren, Magerweiden und Heiden auf feuchten bis trockeneren, mäßig nährstoffreichen, eher sauren, sandigen Lehm-, Sand und Steinböden anzutreffen (Bild 1).
Die Hängebirke ist in ganz Europa verbreitet mit Ausnahme Nordskandinaviens und dem tiefen Süden und kommt bis in Höhen von 1.900 m vor. Sie ist außerordentlich raschwüchsig und hinsichtlich des Bodens anspruchslos. Sie reagiert empfindlich auf längere Trockenheit. Die Hängebirke wird 90-120 Jahre alt. Nach etwa 50 Jahren hat sie ihre endgültige Höhe erreicht. Ihr weit in die Krone reichender Stamm wird 50 bis 80 cm dick. Die weiße Farbe der Stämme und Äste kommt durch Betulin zustande, ein Triterpenderivat, das gegen Tierfraß schützt, die Rinde für Nässe undurchlässig und damit unverweslicher macht.
Von der Hängebirke sind zahlreiche Gartenformen bekannt, die sich durch extremen Hängewuchs (Trauerbirke), rötliches Laub (Blutbirke) oder zerschlitzte Blätter (Schlitzblättrige Birke) auszeichnen.
Material und Werkzeug
Der Bau von Laubbäumen ist relativ einfach. Benötigt wird hierfür Kupferdraht und entsprechendes Silflor-Material. Wer seinem Baum vernünftige "Wurzeln" verpassen möchte, kann dazu entweder Gewindestangen benutzen, die entsprechend abgelängt werden müssen und kann den Baum dann beim Pflanzen einschrauben oder aber man verwendet 4-mm-Bananenstecker mit zugehörigen Buchsen und kann damit den Baum am Ende "einstecken". Welcher Methode man den Vorzug gibt, ist jedem selbst überlassen. Es geht aber auch ganz ohne "Wurzeln".
Für den Zusammenbau werden weiterhin ein Lötkolben mit mindestens 30 Watt, Lötzinn, eine scharfe Schere, ein Seitenschneider oder eine Blechschere, diverse Farben, Pinsel oder Airbrush und Klebstoff benötigt.
Um den Baum einzufärben, gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten. Soll nur ein Baum gebaut werden, greift man am besten auf Abtönfarbe und einen Pinsel zurück. Beim Bau mehrerer gleichartiger Bäume lohnt sich schon der Einsatz eines Airbrush oder ein Tauchbad. Alle Methoden haben auch hier Vor- und Nachteile. Beim Tauchbad muss man darauf achten, dass sich zwischen den Ästen keine "Schwimmhäute" bilden. Die benötigte Farbmenge ist dabei auch nicht zu verachten. Glanzlichter und "Moosbewuchs" müssen später trotzdem noch von Hand gesetzt werden. Insgesamt ist diese Methode jedoch recht bequem und schnell. Beim Airbrushen wird sehr viel Farbe verschwendet, da die Äste selbst recht dünn sind und die meiste Farbe zwischen den Ästen verloren geht. Glanzlichter und Moosbewuchs können jedoch recht leicht und realistisch aufgebracht werden. Das Arbeiten mit einem Pinsel entspricht in etwa der Tauchbadmethode, nur viel langsamer, und ist daher nur für das Einfärben einzelner Bäume geeignet.
Als Klebstoff hat sich Alleskleber der Fa. Tesa bewährt. Dieser hat den Vorteil, dass er sehr stark klebt, recht flexibel bleibt, so gut wie keine Fäden zieht und - wenn man das so sagen kann - fast unsichtbar ist.
Als Quelle für den Kupferdraht kann man dicke Kabel "ausschlachten" oder auf Konfektionsware zurückgreifen. Auch hier gibt es wieder feine Unterschiede. Für Laubbäume sollte der Draht eine Stärke von 0,25 bis 0,4 mm aufweisen.
Wichtig ist auch ein fester Stand des Rohlings während der Arbeit. Bei Verwendung einer Gewindestange oder eines 4-mm-Bananensteckers sollte man den Rohling auf einem kleinen handlichen Brett befestigen. Arbeitet man ohne solche "Wurzeln", kann der Baum auch durch einen kleinen Schaubstock gehalten werden. Probleme treten hier jedoch beim Drehen des Baums auf (Bild 2).
Ein Baum wächst
Da sich 4-mm-Bananenstecker und -buchsen bewährt haben, möchte ich hier nur diese Methode beschreiben.
Als erstes muss eine entsprechende Anzahl von Drähten vorbereitet werden. Bei Laubbäumen von ca. 20 cm Höhe sollten es in etwa 70 bis 90 einzelne Drähte sein, damit der Baum am Ende nicht zu kahl, aber auch nicht zu überladen wirkt. Bei kleineren Bäumen bis ca. 15 cm reichen etwa 50 bis 70 Drähte aus. Für größere Bäume benötigt man entsprechend mehr.
Greift man auf Rollenware zurück, ist es ratsam, den Draht um zwei im entsprechenden Abstand stehende Stäbe, Nägel, Flaschen o.ä. zu wickeln und dann mit einer Zange oder Blechschere aufzutrennen (Bild 3).
Die Drähte müssen nicht zwingend gerade sein, da sie sowieso später entsprechend der Astform gebogen werden.
Die meisten Bananenstecker sind leider eckig, daher muss ein solcher Stecker vorsichtig rund geschliffen werden (Bild 4).
Auch ist dabei der Durchmesser eines Baumes zu berücksichtigen. Dementsprechend ist der Stecker mehr oder weniger zu beschleifen. Problematisch wird dies bei sehr kleinen Bäumen oder Bäumen mit geringem Durchmesser. Hier sollte man auf kleinere Stecker ausweichen oder eine Gewindestange oder Schraube als Fuß verwenden, da der Stecker nur bis zu einer gewissen Stärke befeilt werden kann, weil er sonst zu instabil wird und brechen kann.
Als nächstes werden so viele Drähte wie möglich in die normalerweise für das Kabel vorgesehene Öffnung gesteckt und mit viel Lötzinn verlötet (Bild 5).
Diese Drähte bilden sozusagen den Kern des Baumes. Danach werden alle restlichen Drähte so um den Kern gewickelt, dass sie direkt auf dem Stecker aufliegen, aber nicht überstehen. Durch das feste Umwickeln mit Drahtresten an zwei bis drei Stellen erreicht man, dass die Drähte sich nicht verschieben können.
Sind die Drähte sauber positioniert und gegen Verrutschen gesichert, werden sie im unteren Bereich mit den Drähten des Kerns und dem Stecker verlötet, so dass kein oder nur ein kleiner Übergang sichtbar ist (Bild 6).
Nun hat der Baum eine gewisse Festigkeit, und man kann mit dem Modellieren der Äste beginnen. Dazu werden 2 bis 6 Drähte miteinander verdrillt und verschachtelt. Achtung: 2 bis 3 Drähte sind schneller und einfacher zu verdrillen als 5 bis 6 Drähte, und bei 80 Drähten hat man, wenn man zu viele Drähte für einen Ast nimmt, schnell das Ende erreicht, ohne dass man bei der Krone angelangt ist. Weniger ist auch hier mal wieder mehr dickere Äste aus vier oder mehr Drähten sollten nur ab und zu eingestreut werden. Die Anzahl der Äste pro Runde sollte zwischen 4 und 6 liegen. Kommt man der Krone näher, reichen auch mal 3. Die verdrillten Drähte werden nun zur Stabilisierung verlötet (Bild 7).
Bei einer Hängebirke weisen die Äste am Stamm erst schräg nach oben und am Ende fast senkrecht nach unten. Die Äste sollten die entsprechende Form durch biegen bekommen. Zuvor werden die Drähte ca. 1,5 bis 2 cm vom Ende der Verästelung gekürzt (Bild 8).
Das Verdrillen wird jetzt stufenweise bis zur Krone mehrfach wiederholt. Der Stamm selbst wird dabei auch weiter verlötet, so dass man am Ende einen in sich stabilen Rohling hat (Bild 9).
Als nächstes wird der Baumrohling eingefärbt. Die Farbe sollte sich dabei nach den in der Natur vorkommenden Farben richten. Die Birkenrinde hat als Grundfarbe eine Mischung aus Grau, Braun und Grün (Bild 10).
Bewährt hat sich Dispersionsfarbe, die man direkt auf den Rohling aufbringen kann, ohne ihn vorher zu säubern. Wer Angst hat, dass die Farbe nicht hält, kann den Rohling vorher sicherheitshalber reinigen.
Der Farbton Umbragrün entspricht in etwa der Natur. Es fehlt hier zwar der Graufaktor, der aber durch den zweiten Farbauftrag - nachdem der erste Anstrich getrocknet ist - mit weißer Farbe, welche mit einem fast sauberen und trockenen Borstenpinsel aufgetupft wird, übergangen werden kann (Bild 11).
Während die Farbe trocknet, kann schon die Belaubung vorbereitet werden. Dazu werden aus der SilflorŽ- Matte einzelne trapezförmige Stücke von 1 x 1 cm bis 2,5 x 2,5 cm Größe herausgeschnitten. Wichtig ist hier, die Laufrichtung der Fasern senkrecht zur längeren Seite zu beachten. Diese Seite wird später nach unten "hängend" eingeklebt. So entsteht der "Hängeeffekt". Die einzelnen Stücke sollten unten dann noch ein wenig eingeschnitten und zerfranst werden, um die Vorbildtreue noch etwas zu steigern.
Wenn nun die Farbe getrocknet ist und genügend Stücke zurechtgeschnitten wurden, kann man im unteren Bereich des Baumes mit dem Belauben anfangen.
Hierzu streicht man 2 Drähte mit Klebstoff ein und drückt ein Stück der zurechtgeschnittenen SilflorŽ- Foliage vorsichtig, ohne die Fasern zu quetschen, an (Bild 12).
Es kann vorkommen, dass ein Foliagestück, durch unglückliche Anordnung der Äste, nur von einem Ast gehalten werden kann. Hier ist dann besonders darauf zu achten, dass eine feste Klebeverbindung erfolgt. (Bild 13).
Das Ganze wird solange wiederholt, bis der komplette Baum belaubt ist. (Bild 14).
Am Ende kann der Baum an seinen vorgesehenen Platz auf der Anlage "gepflanzt" werden. Bei der Verwendung von Bananensteckern muss vorher natürlich eine Buchse an der entsprechenden Stelle eingeklebt werden. Bei Schrauben oder Gewindestangen ist dementsprechend ein Loch zu bohren und der Baum von unten (und oben bei Gewindestangen) mit einer Mutter und einer Unterlegscheibe zu sichern
Joachim Wahl
(Veröffentlicht in: Hp1 Modellbahn - 3. Quartal 2003)
Quellen: 1 - Bäume und Sträucher, Ulrich Hecker - BLV Verlagsgesellschaft mbH, München, 2001