Wenns schön macht....
Altern, Weathering oder ganz allgemein Betriebsspuren an Waggons und Loks anzubringen kostet erst mal Überwindung, kann aber süchtig machen. Wenn die ersten Waggons, denen man den harten Betriebsalltag ansieht, ihre Runden drehen, verblassen ihre frisch aus der Schachtel gezogenen Kollegen dagegen arg. Der direkte Vergleich degradiert die schönen Modelle erst mal wieder zu Plastikspielzeug ohne Leben, ohne Atmossphäre. Da helfen der gezielte Einsatz von Farbe, Pinsel und Airbrush deutlich...
Welche Farbe hat ein Baumstamm? Falls Ihnen als erstes "Braun" in den Kopf schießt, sind Sie schon reingefallen. Auf Konventionen, das eigene Halbwissen und Vorstellungen, die sich im Lauf der Jahre einfach unüberprüft angesammelt haben. Was das mit der Alterung von Fahrzeugen zu tun hat? Ganz einfach: Farbempfinden, Wahrnehmung, Erlerntes und Erfahrenes spielen eine wichtige Rolle, wenn wir unseren Eisenbahnmodellen und Modelleisenbahnen mit Pinsel und Luftpinsel zu Leibe rücken wollen. Eine allgemeingültige Anleitung für die perfekte Alterung von Fahrzeugen gibt es nicht, dafür aber unzählige Randbedingungen und Überlegungen. Ein Beispiel: Schreiben wir auf unserer Anlage das Jahr 1955, dann wäre eine V100 sicher unglaubwürdig, wenn sie aussähe, als sei sie seit Jahrzehnten im Betrieb. Die BR64 könnte hier ganz anders aussehen - durch den Fahrzeugmangel im Nachkriegsdeutschland war sie vielleicht im Dauereinsatz, vor Personen- und Güterzügen, auf Haupt- und Nebenstrecken.
Diesen Gedankenanstoß möchte ich vorweg schicken, bevor ich ans Eingemachte gehe, nämlich die farbliche Verarztung eines Pwi 29 von Brawa, den ich als Alterungsbeispiel genommen habe. Zunächst sollte man alles austauschen, was ausgetauscht werden muss, in meinem Fall bekommen die Fahrzeuge zunächst Federpuffer und Schraubenkupplungen, die Metallteile werden mit Weinert-Grundierung grundiert und anschließend in der passenden Farbe einmal vorgestrichen, die zerbrechlichen Zurüstteile werden erst mal entfernt, Lastumstellhebel und Bremslösezüge bekommen einen Pinselanstrich mit Weiß und Rot.
Der Wagenkasten wird mit einigen Flicken versehen, dabei verwende ich ähnliche Farben wie die des Ursprungsmodells; der Pwi ist ab Werk in RAL 6007 lackiert, was bis 1959 üblich war. Ich gehe bei meiner Anlage davon aus, das sie zugegebenermaßen in dem sehr breit gefächerten Zeitabschnitt zwischen 1950 und 1960 spielt; insofern hat der Pwi schon Flicken in RAL 6020 (eine Liste der verwendeten Farben findet sich am Ende des Artikels). Um die Flicken aufzusprühen, nehme ich eine Stück Selbstklebefolie und schneide mit einem Skalpell kleine Rechtecke aus; die Fläche um die Rechtecke sollte groß genug sein, um beim Lackieren mit der Airbrush nicht aus Versehen eine andere Stelle mitzulackieren.
Man kann natürlich auch die Waggonseite komplett abkleben und schon alle Nachbesserungsstellen ausschneiden, alternativ wäre die "Negativ-Methode" möglich: Die Flicken werden abgeklebt, der Wagenkasten wird komplett lackiert. Hier hat man natürlich das Problem, die Beschriftungen entweder anschließend mit Feuerzeugbenzin reinigen zu müssen oder später neue anzubringen.
Diese Flicken wirken auf den ersten Blick recht ruppig - sie fallen auf dem Wagenkasten deutlich auf. In diesem Fall habe ich unverdünnte Farbe in deutlich anderen Farbtönen verwendet, das schon erwähnte RAL 6020 und einen anderen, nicht mit RAL-Nummer versehenen Grünton. Alternativ verwende ich für die Flicken Lasuren, die ich folgendermaßen herstelle: Klarlack wird mit dem richtigen Basiston (beim Pwi also RAL 6007) gemischt; damit lässt sich die Lasur leichter spritzfähig einstellen, als würde man versuchen, die Farbe mit Verdünner zur Lasur zu machen. Anschließend wird für dunklere Farbtöne etwas braun oder schwarzbraun zugegeben, bei helleren Farbtönen entweder weiß oder, bei Grün, ein helleres Grün oder gelb. Ein Wort zur Farbmischung: Um das Bild harmonisch zu halten, ist es immer besser, von einer Basisfarbe auszugehen und die dann abzudunkeln oder aufzuhellen als wild durcheinander verschiedene Farben zu verwenden. Bei der Alterung kann man auch die "wilde Mischung" nehmen, weil beim Vorbild ja auch häufig verwendet wurde, was gerade da war ? allerdings wirkt nicht alles im Modell glaubwürdig, was beim Vorbild so ist. Bei dem Pwi habe ich deutlich unterschiedliche Farben verwendet, anschließend die Übergänge aber wieder abgedämpft: Der Wagenkasten sollte durch Witterungseinflüsse etwas ausgebleicht wirken. Dafür habe ich wie oben beschrieben eine Lasur aus mattem Klarlack und Weiß angemischt, mit der die einzelnen Felder zwischen den Nietreihen mehr oder weniger mittig dünn lackiert wurden. Die Nietbänder selber wurden anschließend mit einer schwarzbraunen Lasur hervorgehoben - hier ginge auch eine Lasur in abgedunkeltem Grün.
Anschließend werden die Zurüstteile wieder angebracht, das ganze wird mit Mattlack überzogen. Bei Griffstangen und Bühnen streiten sich die Experten: Teilweise waren die ebenfalls in der Farbe des Wagenkastens lackiert, das ist auf einigen Fotos zu erkennen - hier hat man wieder die Qual der Wahl. Ich habe mich dafür entschieden, diese Teile schwarz zu lassen, handhabe das aber unterschiedlich.
Anschließend kommt das Fahrwerk an die Reihe, wobei ich Wagenkasten und Fahrwerk vorher wieder zusammensetze. Zuerst sind die Räder dran, die aussen und innen mit einem Rostrot lackiert werden. Dafür bleiben sie in den Achshaltern und werden mit der Airbrush in Drehung versetzt. Erst, wenn die Räder schnell rotieren, wird der Farbhebel aufgezogen. Das gesamte Fahrwerk wird dann leicht mit dem Rostrot überzogen, anschließend erfolgt ein Überzug mit einem fast orangen Rotbraun, dann mit verschiedenen Sandfarben, in meinem Fall der Farbton "Schlamm" und "Sandgelb". Dort, wo das Gelb zu hell wirkt, sprühe ich anschließend noch mal die schwarzbraune Lasur auf, auf diese Art wird auch das helle Rostrot der Räder noch mal nachgedunkelt. Die Beschriftungen klebe ich nicht ab - grundsätzlich sprühe ich in so dünnen Aufträgen, dass die anschließend noch ohne weiteres deutlich erkennbar sind. Falls es doch mal zu Dicke kommt: Mit Feuerzeugbenzin und einem Wattestäbchen oder einem Microbrush-Pinsel lässt sich die Farbe wieder abreiben, ohne (in den meisten Fällen) die Beschriftung zu beschädigen.
Der Wagenkasten bekommt von den hellen Staubfarben auch etwas ab, vor allem im vorderen Bereich ziehe ich diese Spuren auch etwas höher, an den Seiten wird nur minimal der Rand mit gesprüht.
Anschließend kommt das Dach an die Reihe. Hier werden zuerst an den Kanten Verdunklungen mit der schwarzbraunen Lasur aufgetragen, das ganze Dach wird damit leicht eingenebelt und so abgedunkelt und mattiert; an den Kanten etwas häufiger, um sie zu betonen. Da ich davon ausgehe, das die meisten meiner Fahrzeuge häufig hinter Dampfloks hängen, bekommen die Dächer relativ starke Rußspuren. Der Ruß wird dabei zuerst quer zum Dach dünn aufgesprüht, anschließend längs in der Mitte etwas stärker; dabei werden evtl. vorhandene Fenster wie beim Dachaufbau des Pwi nicht entfernt, sondern bekommen auch etwas vom Dreck ab. Anschließend wird das Dach mehrmals mit Mattlack dün eingesprüht, dann gut durchtrocknen lassen, sonst entstehen beim Zusammenbau schnell Macken und Kratzer. Ist der Lack zu feucht, hinterlassen auch Baumwollhandschuhe gerne ihre Fusseln...
Mit dem Pinsel können jetzt noch Öl- und Fettspuren aufgebracht werden, zum Beispiel an den Puffern, den Blattfedern und allen Teilen, die der Rangierer mit den fettverschmierten Handschuhen angrabbeln muss, um seine Arbeit zu tun.
Der so behandelte Packwagen darf dann auch mal alleine von 64 499 zum Bahnhof gebracht werden...
Güterwagen werden auf ähnliche Weise behandelt - wesentlich sind die Lasuren, die einem erlauben, auch mit eigentlich zu hellen Farben zu arbeiten und anschließend wieder leicht abzudunkeln. Auch bei dieser Leig-Einheit kam diese Technik zum Einsatz. Für die Beschriftungen gilt: Die Waggongrundfarbe sollte man wieder abwischen, die Alterungslasuren können ruhig dünn darüber gesprüht werden. Selbst, wenn die Anschriften häufiger gereinigt werden, ein leichter Dreckfilm wirkt durchaus glaubwürdig.
Was der Leig-Einheit noch fehlt? Kreidanschriften und Frachtzettel würden das Bild noch vervollständigen...
Farbliste
- Revell
- Seidenmatt 361
- Seidenmatt 363 (RAL 6020)
- Vallejo Model Air
- Val 019 (RAL 6007), bei diesem Modell nicht verwendet
- Gunze Sangyo
- Weiß H11
- Klarlack Matt H20 (wird für die Herstellung von Lasuren in größerer Menge benötigt)
- Schlamm H341
- Öl H342
- Ruß H343
- Rost H453
- Sand H458
- Rotbraun H460 (auch als Grundfarbe für Güterwagen geeignet, wenn auch zu hell)
- Schwarzbraun H462
Der Originalbeitrag wurde Veröffentlicht von Michael Krause im FREMO Hp1 - 4. Quartal 2008. Für das FREMO-NET bearbeitet 12/2008 durch Rüdiger Bäcker.
Alle Fotos: Michael Krause