Es war der Abend des 9.April des Jahres 1961, als sich eine Gruppe von Männern im holzvertäfelten Wheeler-Room des traditionsreichen Jerome-Hotel in Aspen, Co., traf.
Das Treffen erweckte den Eindruck einer konspirativen Versammlung, und genau genommen war es das auch.
Was an jenem Abend und in den folgenden Tagen dort hinter verschlossenen Türen besprochen wurden, war in der Tat vertraulich und nicht für fremde Ohren bestimmt.
Die Männer kamen aus fast allen Teilen des Landes zusammen, um gemeinsam eine Vereinbarung zu treffen, die geeignet schien, das wirtschaftliche Schicksal vieler mittlerer und kleinerer Eisenbahnunternehmen in den USA zu beeinflussen.
Es waren die Manager etlicher kleiner und mittlerer Eisenbahnunternehmen, die darüber sprachen, wie der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Flaute mit sinkenden Transportraten und mit der wachsenden Konkurrenz durch den heftig zunehmenden LKW-Verkehr auf neuen Interstates und ausgebauten Highways zu begegnen sei.
Es war ausgemachte Sache sich nicht in Fusionsverhandlungen mit den vielen "Großen" "Class-I-Railroads" der Branche zu verlieren, sondern, - ganz im alten amerikanischem Geist-, zusammen zu arbeiten, aber die liebgewonnene Unabhängigkeit der einzelnen Linien weitestgehend zu bewahren.
Beunruhigende Übernahmen waren erst jüngst erfolgt und noch in aller Gedächtnis:
Die CNW hatte die gerade die Minneapolis & St.Louis geschluckt; die SOO-Line hat sich die Wisconsin Central und die Duluth South Shore & Atlantic einverleibt; die Virginian und die Interstate mußten ihre Selbständigkeit an die Southern Railway abgeben; die Atlantic Coast Line und die Seaboard Airline verschmolzen zur Seaboard Coast Line, und die Erie Lackawanna entstand schließlich aus ihren beiden bereits teilweise bankrotten Vorgängerinnen Erie RR und der DL&W.
Gerüchte über die geplanten Übernahmeabsichten der bereits angeschlagenen Rock Island durch die UP, die Vorbereitungen der Übernahme der B&O durch die C&O, sowie erste Fusionsgespräche der Pennsylvania Railroad mit dem Erzrivalen New York Central machten die Runde.
Es herrschte Alarmstimmung!
Es galt die eigene wirtschaftliche Unabhängigkeit zu wahren und dennoch die Verluste aus dem massiven Rückgang des Passenger-Verkehrs aufzufangen und die drohende Übernahme des Frachtverkehrs durch die immer stärker werdende LKW-Konkurrenz abzufangen.
Hatte man doch inzwischen schon fast den kompletten Viehtransport an den aufblühenden Güterkraftverkehr verloren. Nun drohte auch den bislang noch recht lukrativen Kühlzügen ein ähnliches Schicksal: Früchte und Gemüse wurden inzwischen nicht mehr nur in Reefern, sondern stetig zunehmend in modernen Kühl-Sattelaufliegern zu den Verbrauchern gefahren. Vereinzelt gelang es mehr oder weniger erfolgreich im gerade wachsenden ToFC-Verkehr wenigstens einige dieser Kühl-Auflieger als Piggybacks für die Eisenbahn als Kunden zurück zu gewinnen..
Es mußte also dringend gehandelt werden.
Es gab viele Bemühungen, der drohenden katastrophalen Verluste Herr zu werden. Und es gab ebenso viele Ansätze, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führten: Mergers, Zusammenschlüsse waren eine der möglichen Lösungen.
Für viele Eisenbahn-Gesellschaften lag die Lösung aber auch in der Beschaffung moderner leistungsfähigerer Lokomotiven, spezialisierter Wagen und Service-freundlicheres Eingehen auf Kundenwünsche. Die Fahrzeug-Industrie griff die Anregungen der Eisenbahnen dankbar auf: Die Box Cars wuchsen von 50" weiter bis auf 60", teilweise sogar bis auf 86", für Getreide wurden die leistungsfähigen großen Covered Hopper weiterentwickelt, die Autotransporter wurden zwei- und dreistöckig und erste schnelle Containerzüge wurden zum wieder einträglichen Geschäft.
Aus diesen Erfahrungen heraus wurden auch andere Bulk-Versender wieder aktiv akquiriert und andere mit attraktiven und maßgeschneiderten Angeboten dazu gebracht, diverse, bereits verlorengeglaubte Verkehre wieder zurück auf die Schienen der zu verlagern.
Was für die Großen möglich war, war für die kleineren Gesellschaften unserer in Aspen versammelten Manager nicht so ohne weiteres umzusetzen. Es waren eben halt relativ kleine regional gebundene Eisenbahnen, die zudem weder die finanziellen Spielräume, noch über die dafür erforderlichen umfangreichen Streckennetze verfügten.
Die Lösung für unsere Gruppe kleiner Eisenbahnunternehmen lag in einer engen Kooperation, um unter Beibehaltung der eigenen Unabhängigkeit den Großen gegenüber konkurrenzfähig bleiben zu können.
Ergebnis war die Bündelung der bescheidenen strukturellen, materiellen und auch finanziellen Kräfte durch Schaffung eines gemeinsam auftretenden und geschlossen agierenden Transportunternehmens, das in der Lage sein sollte, die erkannten Herausforderungen anzunehmen.
So kam es an diesem denkwürdigen Apriltag 1961 in Aspen, Co., zur Gründung der
"Free Merchandise Organisation Belt Lines", kurz FREMO BELT LINES
Der rasch gestellte Antrag auf Konzessionierung an die ARA wurde eingereicht, gleich nach Vorliegen der Unbedenklichkeitsbescheinigung der Interstate Commerce Commission genehmigt und - völlig überraschend für die gesamte Branche - die FREMO BELT LINES somit zum 1.Januar des Jahres 1962 etabliert werden.
Ein erster Probebetrieb der FBL vom 04. 10. - 08.10.1961 konnte bereits das Funktionieren des Konzepts dieser neuen Bahngesellschaft in der Praxis erfolgreich belegen.
Die Konzession erlaubte es den FREMO BELT LINES mit den zugewiesenen Reportingmarks "FBL" den Verkehr zwischen den Strecken der teilnehmenden Gesellschaften auf eigenen Strecken sowie auf Strecken mit vorhandenen "trackage rights" aufzunehmen, allerdings verbunden mit der unangenehmen Auflage, die teilweise noch bestehenden meist leider defizitären Passenger- und Commuter-Verbindungen weiter zu betreiben.
Dennoch, der Coup war gelungen!
Die teilnehmenden bestehenden US-Railroads
- Atlantic & Lake Erie RR, A&LE,
- Chicago, Linuslane & Eastern RR, CL&E,
- Columbia Southern RR, CS,
- Seaport Belt Line RR, SPBL,
- Westport Terminal RR, WT,
sowie einige weitere assoziierte Bahnen
- Pittsfield & Joevalley RR, P&J,
- Southern Pacific & Western RR, SP&W.
Einige weitere auf bleibende Unabhängigkeit bedachte private Unternehmen bildeten darüber hinaus die Grundlage dieses Typs einer "Cooperative Railroad" , einer Art genossenschaftlichen organisierten Eisenbahngesellschaft.
Nach dieser als "Aspen-Act" bekannt gewordenen Gründung wurde relativ schnell eine "Corporate Identity" mit eigener Farbgebung und eigenem Logo und Slogan gefunden.
Die ersten Fahrzeuge, zunächst nur Lokomotiven, Caboose und einige wenige Passenger-Cars, wurden kurz danach bereits in die einzelnen Werkstätten zum Lackieren gebracht.
Vereinbarungsgemäß wurden geeignete kleinere Yards in Denver, Co. , sowie in Buffalo, NY erworben, die als Endpunkte der kontinentalen Ost-Westspange dienen sollten. Durch einen geschickten Mix aus eigenen vorhandenen, neugebauten Strecken, sowie angemieteten "Trackage Rights" konnte die Entfernung von ca.1520 Meilen wirtschaftlich sinnvoll und profitabel im Mainline-Verkehr überbrückt werden.
Von diesen beiden zentralen Eisenbahnknoten aus wird über wiederum teils über eigene FBL-, teils über angemietete Strecken der Transport durch die teilnehmenden Gesellschaften weiter in die Tiefe der jeweilige Region übernommen.
Die Wahl der beiden Standorte Denver und Buffalo versetzte die FBL darüber hinaus in die Lage, auch anderen Gesellschaften bei Engpässen zusätzliche Verbindungen zu günstigen Raten als "bridge-traffic" anzubieten, und damit gleichzeitig die Auslastung der FBL-Lokomotiven zu optimieren.
Von Denver, Co., aus erfolgt die Verteilung an die meisten weiter westwärts nach San Francisco und südwestlich nach L.A. agierenden Railroads ebenso, wie die Weiterführung nach Nord-Westen über Salt Lake City, Richtung Portland und Seattle
Im Osten stellt Buffalo, NY, ( nach Chicago Amerikas zweitgrößter Eisenbahnknoten) die Verkehre in alle östlichen Richtungen wie Boston, New York, Philadelphia, Baltimore oder Norfolk sicher, ebenso wie nach Montreal und Toronto, Canada und in den Süden über Atlanta und Jacksonville. bis nach Miami.
Der in Aspen, Co., gewählte Slogan "Connecting America" konnte so schon zum großen Teil realisiert werden!
Wünschen wir den FREMO BELT LINES auf ihrem Weg in die Zukunft weiterhin Glück und Erfolg.
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(W.-J.Müchler)